Betamax vs. VHS -  Die ersten Zweikanal-Geräte

Stereoton Anfang der 1980er bei Videorekordern? Eine echte Neuerung. Der folgende Artikel schildert die Sicht aus 1982 über die Einführung der ersten Zweikanal-Videorekorder (Betamax/VHS).


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tereo ist in. Wer sich derzeit entschlossen

hat, rund 3000 DM (1500€) für einen komfortablen Videorekorder auszugeben, bekam neben technischen Leckerbissen meist auch zwei Tonkanäle geboten. Noch durften, bis Ende 1982 - echte Stereo-Empfänger nur von deutschen Firmen angeboten werden. Doch bis dahin umgangen die Japaner diese Lizenzvorschrift: Sie verkauften ihre Geräte mit Mono-Empfänger.

So sind von den drei Testkandidaten nur der norddeutsche Nordmende V300 und der Telefunken-Rekorder VRV650 für Zweikanal-Empfang aus der Antenne geeignet. Beide VHS - Modelle sind weitgehend baugleich und unterscheiden sich nur in Äußerlichkeiten. Der Prüfling aus dem Beta-Lager dagegen, die zweikanalige Betamaschine SL-C9 von Sony , kann mit dem eingebauten Tuner nur Mono aufzeichnen. Stereosignale lassen sich ausschließlich über die videofrequenten Eingänge, also über AV-Kabel vom Tuner eines Stereofernsehers (Receivers), aufnehmen und wiedergeben.

Doch von diesem grundsätzlichen Unterschied abgesehen: Wie können die drei Neulinge, die auf der Messe in Düsseldorf vorgestellt und ab September 1982 verkauft werden, ihre Käufer zufrieden stellen? Ein wichtiges Kriterium dafür ist die Bildqualität, im Praxistest  beurteilt an den extrem kritischen Blaupunkt-Monitoren C-22.

Sony SL-C9 (oben), Telefunken VRV 650 (mitte), Nordmende V 300 (unten)

Für die Bandaufzeichnungen liefert ein Videogenerator die Testsignale (Testbild). Das Ergebnis: Weder die beiden VHS-Brüder noch der Betamax geben Grund zur Klage. Gegenüber den ausgewogenen Bildern von V 300 und VRV 650 gerieten die Farben der SL-C9 eine Spur leuchtkräftiger. Derartige Nuancen sind aber nur im direkten Vergleich auf genau farbgleich eingestellten Monitoren zu bemerken.
Positive Wertungen gab es auch bei den Sonderfunktionen. Während im Vor-/Rücklauf-Betrieb, dem sichtbaren Bildsuchlauf in beiden Richtungen, die obligatorischen Störstreifen zu sehen sind - nur beim Video2000-Format  schafft eine Elektronik da Abhilfe - vermitteln Standbild, Bild für Bild-Wiedergabe, Zeitraffer und und regelbare Zeitlupe bei allen drei Prüflingen ungetrübtes Sehvergnügen. Dem Optimum an Bildqualität sind die Geräteentwickler schon sehr nahe gekommen. Praktisch störungsfrei arbeitet der Betamax-Rekorder sogar rückwärts. Ohne Ton lassen sich nämlich fünf- und zehnfache Zeitdehnung, Einzelbilder und die normale Gangart in beiden Richtungen betrachten. Auch im fliegenden Wechsel können diese Funktionen umgestellt werden - mit nur haarfeinen Strichen am Wendepunkt. Der Kreation eines individuellen Fußballballetts auf dem heimischen Bildschirm steht also nichts mehr im Wege (wer sich für den SL-C9 entschieden hat). Diese Funktionen sind nur beim Betamax verfügbar.

Tasten sind deutlich abgegrenzt, Regler und Anschlüsse versteckt: Nordmende V300 (VHS)
   
Funktionstasten liegen zu eng beieinander: Telefunken VRV650
   

Alle Rekorder verfügen über einen sauber funktionierenden Insertschnitt. Ebenfalls gute Noten gibt es für das Aneinanderfügen einzelner Szenen nach einem Pausestopp. Dieser Quasi-Schnitt ist besonders für Aufzeichnungen per Kamera wichtig. Flackern oder gar Zusammenbrüche des Bildes sind bei keinem Rekorder zu erwarten. Auch wer im Bild-für-Bild-Betrieb die Nahtstelle betrachtet, kann nur minimale Unsaubereiten feststellen, die sich in der Praxis überhaupt nicht auswirken. Trotz Rauschunterdrückung zeichnen sich die VHS-Kollegen durch unüberhörbares Rauschen aus, dass besonders bei leisen Passagen die Tonwiedergabe beherrscht. Der Störpegel des Betamax liegt da deutlich niedriger, schnellt aber bei hoher Dynamik über Gebühr nach oben. Daran mag die etwas zu träge Aussteuerungs-Automatik des Testmodells die Schuld haben. - Aber auch Komfort  ist an einer Kaufentscheidung beteiligt. Denn wer sich täglich über ungeschickte Tastenanordnung und fummeligen Klappen ärgert, verliert bald die Lust daran :-)
 

   
Klar gegliederte Funktionstasten, sechs Balken für die Bandanzeige: linke Hälfte Sony SL-C9
   

Hier gebührt der Betamax-Maschiene ein grosses Lob. Großflächige Tipp-Tasten für Lauf- und Sonderfunktionen sind deutlich voneinander abgegrenzt, die weniger oft gebrachten Elemente verschwinden hinter einer Klappe. Einzig die beiden Tasten für die Nachvertonung erfordern "dünne Fingerspitzen". Griffige und übersichtliche Laufwerkstasten garantieren auch beim Nordmende-VHS sicheres Hantieren. Die beim Telefunken verwendeten Tasten sind bei fernsehtypischer Beleuchtung sehr schlecht zu erkennen. Dafür sind sie deutsch beschriftet. Adleraugen verlangt beim Telefunken-VHS auch eine winzige, im Gehäuse versenkte Leuchtdiode, die 10 Minuten vor dem Bandende Signal gibt. Sie ist bei Tageslicht quasi nicht zu sehen. Beim Nordmende ragt sie etwas vor und ist daher besser zu erkennen. Von ganz anderem Schrot und Korn ist hier der Betamax-Rekorder, bei dem nicht nur 10 Minuten vor Bandende gewarnt wird, sondern bei dem sich über die gesamte Bandlänge die Bandanzeige hinweg  auswirkt. Die Gesamtlaufzeit  ist hier auf sechs Leuchtfelder verteilt, die auch bei Tageslicht bestens zu erkennen sind. So lässt sich aus den Augenwinkeln erfassen, wie viele Sechstel der Kassette schon abgelaufen sind.

   
Programmiertasten hinter einem Deckel, Leuchtanzeige für Bandsektor und Laufzeit: rechte Hälfte Sony SL-C9

 

Die Dauer eines Leuchtfeldes beträgt bei L-500-Bändern 21,6 Minuten, bei L-750 dagegen 32,5 Minuten. Auch in der Indexmarkierung ist der Betamax klar im Vorteil: Bei beiden VHS-Rekordern wird nur bei Beginn einer neuen Aufnahme eine elektronische Marke auf dem Band gesetzt. Beim Betamax lassen sich per Tastendruck beliebig viele Stellen Marken setzen/löschen. Bei den VHS Rekordern lässt es sich immer nur bis zur nächsten Indexmarkierung springen. Beim Betamax lassen sich beliebige Bandstellen direkt ansteuern. Neue Maßstäbe setzen die Beta-Techniker auch beim Bandzählwerk, dass - ähnlich bislang nur bei Grundig (Video2000) zu finden - die korrekte Bandlaufzeit in Stunden, Minuten und Sekunden exakt angibt wenn das Band bespielt ist. Den wahren Alptraum der Timerprogrammierung erleben die Besitzer der VHS-Modelle, wenn sie im nur im Fünf-Minutentakt-Intervallen mögliche Programmierung um einen Schritt überschreitet. Dann muss nämlich das Knöpfchen so lange weitergedrückt werden, bis die Anzeige nach "390 Minuten" wieder auf Null steht - und dann von neuem Beginnen. Beim Betamax geht's einfacher. Die Daten können direkt eingegeben werden. Wer übers Ziel hinausgeschossen ist, findet die richtigen Zahlen auch im Rückwärtsgang.

 

Die baugleichen Fernbedienungen der VHS Rekorder (links im Bild) sind gewöhnungsbedürftig. Die Sony-Fernsteuerung bleibt trotz vieler Elemente übersichtlich.

   

Die beim Betamax serienmäßige Infrarotfernbedienung kostet beim Nordmende-VHS als Zubehör zusätzlich 100DM (50€). Mit den griffgünstig angeordneten und gummierten Tasten der Betamax-Fernbedienung  (RMT-212) lässt sich sicherer umgehen als mit den glatten, gleichförmig untergebrachten und unverständlich beschrifteten Elementen der VHS-Bedienungen. Zudem liegt dort die Pausetaste an ungünstiger Stelle: Zwischen den beiden Aufnahmetasten.

Bei Handhabung und Komfort liegt der Japaner vorn. Großflächig und griffgünstig angelegt garantiert die Tastatur sicheren Umgang mit den Funktionen. Rückwärtsbetrieb und die exakte Laufzeitangabe setzen Maßstäbe für künftige Rekordergenerationen.

Qualitativ hochwertige Komfortgeräte sind die VHS Geräte allemal. Für technischen Fortschritt aber ist der SL-C9 Betamax zuständig.


Aus heutiger Sicht hinzugefügt: Derzeit unbeachtet scheinen die Ausmaße der Testkandidaten. Der Sony Betamax ist um 50x50x7 mm kleiner als die 460x155x370mm großen (klobigen) VHS -Geräte trotz erheblich größerem Funktionsumfang. In diesem Test wurde die Vorabversion des SL-C9E gegen die bereits erhältlichen VHS Rekorder verwendet. Wäre die finale Version des SL-C9ES der Gegner gewesen, hätte dies die VHS-Konkurrenten sicher noch älter als sowieso schon aussehen lassen.

 

Elmar Zielke

 
 

 

Weiterführende Links

Sony SL-C9 E/ES
Vergleich der Formate Betamax / VHS (Schwerpunkt HIFI Ton)
Geschichte des Betamax-Videoformats

 

 

© 2007 Elmar Zielke / betamax-video.de